Vom Kopf auf die Füße – Beweislastumkehr bei Werkverträgen ist wichtiger Beitrag gegen Missbrauch

Heute hat der Landtag einen Antrag der Koalitionsfraktionen beschlossen, in dem die Landesregierung gebeten wird, „auf Bundesebene zur Stärkung der Rechte von Werkvertrags-Arbeitnehmern und -Arbeitnehmerinnen aktiv zu werden. Ziel soll es sein, zu einer so genannten Beweislastumkehr bei der Ausgestaltung von Werkverträgen zu kommen.“ (Drs. 6/3270)

Bereits am 16. Mai 2014 hatten sich alle Fraktionen im Landtag einhellig gegen den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen ausgesprochen (Antrag „Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern“ (Drs. 6/2930). Ein wichtiger Beitrag dazu wäre die Umkehr der Beweislast.

Dazu erklärte Andreas Steppuhn, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion: „Nach heutiger Rechtslage muss der einzelne Arbeitnehmer oder die einzelne Arbeitnehmerin nachweisen, dass sein oder ihr Werkvertrag eigentlich ein verdeckter Arbeitsvertrag ist. Damit liegt die Beweislast bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Betrieb ohnehin schlechter gestellt sind. Das ist weder praktikabel noch gerecht.

Wir wollen das vom Kopf auf die Beine stellen. In Zukunft soll diese Beweislast beim jeweiligen Arbeitgeber liegen. Er ist dann verpflichtet zu beweisen, dass der Vertrag geschlossen wurde, um vorübergehend hohe Auftragseingänge oder krankheitsbedingte Ausfälle zu überbrücken – und nicht etwa um reguläre Arbeitskräfte schlechter entlohnen zu können. Wenn also ein Mitarbeiter aufzeigt, dass er in die Arbeitsorganisation genauso eingebunden ist, wie ein Kollege aus dem Stammpersonal, dann muss das Unternehmen beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Kann es das nicht, dann ist es automatisch der tatsächliche Arbeitgeber und haftet. Zudem hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich einzuklagen.

Die Umkehr der Beweislast ist ein aktiver Beitrag dazu, wieder für mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen.“

Hintergrund:
Zunehmend werden Werkverträge genutzt, um Personalkosten zu sparen und Arbeitnehmerschutzrechte zu umgehen. In der Regel ist der Empfänger der Arbeitsleistung der Arbeitgeber. Daran knüpfen Gleichbehandlung, Bestandsschutz, Betriebsverfassung und tarifliche Interessenvertretung an. Die einzig relevante und zulässige Ausnahme ist die legale Arbeitnehmerüberlassung. Dort arbeitet der Arbeitnehmer nicht für seinen Arbeitgeber, sondern für einen Dritten (Entleiher). Leiharbeit ist erlaubt, wenn sie der Flexibilisierung im Einsatzbetrieb dient und sozial abgesichert ist. In allen anderen Fällen ist die Trennung von Arbeitgeberstellung und Empfang der Arbeitsleistung unerwünscht und untersagt.

Alle Scheinwerk- und Scheindienstverträge sind verdeckte Formen der Arbeitnehmerüberlassung mit dem Ziel, dass der Empfänger der Arbeitsleistung nicht zum Arbeitgeber werden will und ihm somit die üblichen damit verbundenen Pflichten erspart werden. Dadurch werden angestrebte Kostensenkung durch Billiglöhne und reduzierten Bestandsschutz ermöglicht.

Werksverträge sollen in Zukunft nur noch zur Deckung eines „vorübergehenden“ Bedarfs beim Entleiher dienen. Eine Neuregelung der Beweislastumkehr könnte dabei wie folgt aussehen:

  • Bei der Vermutung einer nicht „vorübergehenden“ Überlassung nach 6 Monaten der Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem oder nacheinander mehreren Leiharbeitnehmern muss der Entleiher diese Vermutung widerlegen.
  • Überlassung über 18 Monate hinaus darf nur noch unter ganz engen, überprüfbaren Voraussetzungen möglich sein.
  • Entleiher und Verleiher sollen verpflichtet werden, im Überlassungsvertrag die Gründe für den nur vorübergehenden Bedarf festzuschreiben. Das soll verliehenem Arbeitnehmer, Betriebsrat und bei etwaigen Verfahren auch den Gerichten erleichtern, beurteilen zu können, ob es sich tatsächlich um eine nur vorübergehende Überlassung oder um eine illegale Überlassung auf Dauer handelt.

Vorgeschlagene Sanktionen:

  • Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates.
  • Werden die neuen zeitlichen Grenzen überschritten soll automatisch ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entstehen. So soll herbeigeführt werden, was Verleiher und Entleiher gesetzeswidrig vermeiden wollten.
  • Damit führen alle Formen der Arbeitnehmerüberlassung außer der legalen, mit Überlassungserlaubnis durchgeführten vorübergehenden Überlassung zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die illegal überlassen werden oder scheinselbstständig sind, können sich bei demjenigen, für den sie abhängig arbeiten mit Hilfe einer solchen Beweislastumkehr leichter einklagen. Sie müssen nur nachweisen, dass sie in seiner Betriebsorganisation tätig sind. Der (vermutete) Arbeitgeber muss dann beweisen, dass dies im Rahmen eines Werks- oder Dienstvertrags oder einer selbstständigen Tätigkeit erfolgt. Sonst steht seine Arbeitgeberstellung fest.

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